Was tut der Mann Anfang Dezember, um in seiner gentrifizierten Alltagsumgebung noch richtig Mann sein zu dürfen, wenn es nicht die richtige Uhrzeit zum Wintergrillen ist?
Richtig, er räumt den Schnee und geht dann Brötchen holen.
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass mindestens 110% aller Kunden in den Bäckereien an Sonn- und Feiertagen männlich sind?
Offenbar gehört der Gang zum Brötchen holen zu den letzten Refugien echter männlicher Rituale. Vor Ort ein erster Blick – außer der Bäckereifachverkäuferin ausschließlich Testosteron anwesend. Eine zweite, intensivere Erkundung – wie ist der Bestand an Milchhörnchen? Sehen die vor mir stehenden Geschlechtsgenossen so aus, als würden sie mir die letzten zwei Exemplare, die sich dort so kümmerlich an die Croissants schmiegen, streitig machen? Und wo zum Teufel sind die Kürbiskernbrötchen? Ich muss doch wohl nicht etwa anschließend noch eine andere Filiale aufsuchen?
Und – natürlich – im Regelfall kommt es doch genau so. Die Milchhörnchen werden von diesem komischen mittelalten Kerl mit dem breitkrempigen Hut (ein HUT! Welcher Mensch kommt auf die Idee, beim Gang zum Bäcker einen HUT aufzusetzen?!?) gekauft, es gibt keine Kürbiskernbrötchenreserve und man(n) muss tatsächlich noch einmal in den PS-starken Boliden steigen, um die 500 Meter zum nächsten Backfilialisten zurückzulegen.
Heute jedoch nicht, heute ist mein Glückstag. Nur vier andere Herren vor mir, der Brötchenbestand ist vollständig und umfangreich, so dass ich ein umfassendes Sortiment mit nach Hause bringen kann, wo das Weibchen, schmuck gekleidet und voller Anmut, bereits den Frühstückstisch gedeckt und den Adzventzkranzkerzenglanz (das einzige deutsche Wort, das fünf „z“ enthält!) im Wohnzimmer hergestellt hat.
Auf dem Weg durch die winterlich-westfälische Landschaft der Dortmunder Gartenstadt treffe ich überall auf andere Männer, entweder auf dem Weg zum Bäcker oder, bereits erfolgreich mit prall gefüllten Papiertüten, auf dem Rückweg. Einmal kurz aufs Gas, das Heck zuckt kurz und angemessen, mich empfängt der Duft von frischen Kaffeebohnen und Rührei, ich kann entspannen. Die maskuline Pflicht erledigt, Weib und Nachwuchs vor dem Verhungern geschützt, der winterlichen Witterung getrotzt, es ist ein guter zweiter Advent. Ein wirklich guter.